Laos Tagebuch November 2004 2004, Ilona Neumann Duerkop
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Laos Tagebuch, Januar 2005   Ilona Duerkop
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„Wir sind eine Menschenkette. Die Toten gaben den Lebenden, und die Lebenden müssen einander geben, und wir müssen die Zukunft der Ungeboren sichern. Ein tröstlicher Gedanke. Wenn ich jetzt in meiner Gegenwart, zerrissen bin oder verwirrt, dann weiß ich wenigstens, dass ich einen Platz in der Zeit habe. Ich bin Teil dieser Kette. Wir besitzen ein paar Gedankenschnipsel von den Mayas. Ich finde, der schönste davon ist:
„Das Leben ist ein Gespräch zwischen allem Lebendigen.“
© Rita Mae Brown

Vientiane, am Morgen des 1. Januar 2005

Ich hatte einen Traum. Auf dem Weg nach Udon Thani, in Thailand, kaufte ich in einem der Straßenläden eine Autoladung Pflanzen, diverse Tontöpfe und Blumenerde. In Udon Thani kann ich mit dem Prado nicht in das Parkhaus. So stellte ich den Toyota neben dem chinesischen Tempel ab. Die Pflanzen waren alle in den hinteren Teil geladen worden, dort können bei Bedarf noch zwei weitere Sitzbänke umgeklappt werden, das Auto stand in der Sonne. Ein junger Thailänder half mir die Pflanzen auszuladen und wir stellten sie rund herum um das Auto. Ich bot ihm 200 Baht an, er war sehr erfreut und erklärte sich bereit auf die Pflanzen aufzupassen. Auf der Höhe des Charoensri Grand Royal Hotels packte ich meine Liste aus und betrat gut ausgerüstet das Robinson. Zum Abschluß meines gut durchorganisierten Einkaufes, gönnte ich mir einen Milchkaffee und ein Eis aus drei köstlichen Kugeln im Swenson. Auf dem Weg zum Parkplatz kamen mir Menschen mit schönen Pflanzen im Arm entgegen, den Dritten sprach ich an; Woher er die Pflanzen habe. Er zeigte in Richtung Parkplatz. Schon aus der Entfernung konnte ich sehen, dass von meinen Pflanzen keine mehr übrig war und auch der junge Mann nicht mehr zu sehen war. Statt dessen sah ich einige Thais mit einem zufriedenen Lächeln, die einen unerwarteten Kauf getätigt hatten.
Ich lachte schallend – da wusste ich, dass mein Herz in Asien angekommen war.
Immer noch lächelnd wachte ich auf.

Nach all den schrecklichen Bildern die mein Kopf in den letzten Tagen beherbergt hat, hielt ich mich so lange es ging an die Bilder meines Traumes.
Ich möchte betonen, das man einem jungen Mann in Thailand durchaus einen solchen Auftrag anvertrauen kann, ohne zu befürchten das er einen größeren Nutzen daraus zieht!


DIE ZEITLEBEN 02/05: Ich habe einen Albtraum; vom 5. Januar 2005
Natalia Wörner träumt:
„Ich kann von dem Albtraum, den ich in den vergangenen Tagen erlebt habe, nur sprunghaft berichten.
Mein Schock löst sich langsam, in Schüben, ich fange gerade erst an, die Eindrücke zu verarbeiten.
Aber ich versuche es mal der Reihe nach.
Vierzehn Tage vor Weihnachten bin ich mit meinem Freund Robert nach Asien geflogen, um in Koh Yao Noi Ferien zu machen.“
Fortsetzung hier[…]

Die Schauspielerin Natalia Wörner, 37, war an Weihnachten in Thailand im Urlaub.
Jetzt ist sie wieder in Deutschland.
In diesen Tagen hat sie die Tsunami Dierekthilfe e.V. gegründet. Weitere Gründungsmitglieder sind Robert Seeliger, Laelia Voigt, Hans-Jürgen Rösler, Sherry Hormann und Jim Rakete. Der Verein möchte Menschen in den Ländern dabei helfen, ihren Lebensunterhalt wieder verdienen zu können.
Folgende Spendenkonten sind eingerichtet:
Dresdner Bank, Bankleitzahl 200 800 00, Kontonummer 042 31 22 300
und HypoVereinsbank, BLZ 700 2002 70, Konto 667 60 33 66.
Der Verein im Internet www.tsunamidirekthilfe.de

Vientiane, Donnerstag
den 6. Januar 2005

Mein Schreibtisch dient nur noch als Ablage. Mir sind die Worte zerronnen, ich lasse es in meinem Kopf denke. Abends vor der deutschen Welle sitze ich mit Tränen in den Augen und fassungslos. Am Tag lese ich alles was ich im Internet finden kann. Kaufe im Phim Phone Supermarkt die Vientiane Times und wenn ich sie noch bekomme die Bangkok Post. Stundenlang lese ich, verschwinde zwischen den Worten auf dem Bildschirm und den Bildern, den schwarz gedruckten Worten der Zeitungen, in meinen Händen. Da ist kein Platz für die Frage warum ich das tue. In der Stadt besuche ich kein Kaffee mehr, gehe nicht mehr Essen, ich habe Angst Freunde und Bekannte zu treffen, die mir von denen erzählen die aus unserer Community in Thailand in Urlaub sind. Ich brauche zu den Gedanken die ich mir mache keine Namen und Gesichter, ohne sie ist es schon schlimm genug.
Von tausenden Opfern war am 27. Dezember noch die Rede, bereits am 30. Dezember rechnetet das Rote Kreuz mit mehr als 100.000 Opfern. Gestern war eine Liste nach Ländern im Spiegel online, insgesamt wurden bisher 146.134 Tote gefunden. Hinter jeder dieser Zahlen stehen einzelne Schicksale, Menschen die für andere wichtig waren, als Großmutter, Großvater, Mutter, Vater, Tante, Onkel, Freundin, Freund und als Tochter, Sohn und Enkelkind. Die Bande die die Toten mit den Lebenden verbanden sind millionenfach zerrissen. Auf meinem Schreibtisch türmen sich die Nicht-Tsunami-Gedanken für die in meinem Kopf kein Platz ist.
Einzig die E-Mails die fragen wie es uns geht werden beantwortet.
(nachgetragen)

Vientiane, Montag
den 10. Januar 2005

Die Ferien sind vorbei, die Schule hat wieder begonnen und auch in gebe wieder meine drei Wochenstunden Deutsch an der Vientiane International School. Meine Gedanken der letzten Tage an Kollegen deren Familien und die Familien der Schüler können aufhören. Alle sind zurückgekommen! Angesichts der vielen hundert tausend Schicksale ist dies jedoch ein kleiner Trost und eine Entspannung stellt sich nur kurz ein.
(nachgetragen)

Die koreanische Freundin von Sug bleibt vermisst. Zwei Lehrer an der französischen Schule werden vermisst. Die Hoffnung ist gegen Null.

Vientiane, Mittwoch
den 12. Januar 2005

Am Montag hat mich Kai Kham besucht, ich habe ihn über ein Jahr nicht mehr gesehen.
„Die Bilder – schrecklich!“, sagt er.
Es ist als besinne sich die Welt auf ihre Freunde und die Menschen die ihnen nahe stehen.

Ein Verlust der mich zu anderen Zeiten traurig gemacht hätte: Der letzte kleine Hund aus den beiden Würfen ist heute Nachmittag verschwunden. Kamla ist aufgeregt und auch schon im ganzen Dorf gewesen, hat gefragt ob niemand den kleinen schwarzen Hund gesehen hätte – niemand hat ihn gesehen. Im Dorf gäbe es Leute die Hund essen würden, meinen Trost das der Hund noch zu klein gewesen sei, wisch er fort und sagt: „Die essen auch Katzen!!!“

In der Nacht ist der Himmel leer, nur ein schmaler Mond liegt wie eine Wimper auf dem schwarzen Tuch.
(nachgetragen)

Vientiane, Dienstag
den 18. Januar 2005

Die ungute Routine der letzten Zeit muss unterbrochen werden, ich fahr ohne lange darüber nachzudenken zum Frühstück in die Scandinavian Bakery am Nampuh.

Am Nachmittag nehme ich mir einen langen Marathon vor. Schon am letzten Samstag habe ich mir fünf Boxen in Udon Thani (Thailand) gekauft. Seit April 1996, als mein Leben in Laos begann, haben sich über hundert entwickelte Filme angesammelt – eine überwältigende Zahl an Fotos. Nur die ersten 25 Filme sind nummeriert und damit zeitlich geordnet. Wir erwarten in der nächsten Zeit keine Gäste und so breite ich alles auf dem Doppelbett im Gästezimmer aus.
Ein ganzes Zimmer um in diese Fotos Ordnung zu bringen.
Tausend Erinnerungen – dies ist mein Leben!

Latest Exchange Rates
Exchange rates of January 18, 2005,
Quelle: Vientiane Times
Currencies Buying Lao kip
Selling Lao kip
1 US$ Deno 1 - 20
      Deno 50 - 100
1 Thai baht
1 Euro (50-500)
1 UK pound
1 Japanese yen
1 Canada dollar
1 Australian dollar

10.300,00
10.305,00
266,24
13.379,00
19.062,00
100,00
8.396,00
7.743,00

10.366,00
10.366,00
268,24
13.576,00
19.357,00
102,00
8.509,00
7.863,00

Vientiane, Sonntag
den 30. Januar 2005

Leslie ist nicht da. Vielleicht hat Kamla sie Heute Morgen raus gelassen als er seinen Nachtdienst beendet hat und mit seinem Fahrrad nach Hause gefahren ist.
Mit seinem halb gelähmten Bein und seinem Fahrrad kommt er ganz schön ins Trudeln wenn die drei Hunde ihm entwischen und vor ihm durch das Tor schlüpfen wollen. Kamla gewinnt dennoch dieses morgendliche Spiel fast immer.
Deshalb ist es ungewöhnlich dass von den Hunden nur Blacky und Lisa, Leslies Töchter, mich begrüßen als ich den Frühstückstisch auf der Terrasse decke.

Vientiane, Montag
den 31. Januar 2005

Kamla fragt sich durch das ganze Dorf, ob jemand Leslie gesehen hat und verbreitet die Nachricht das ein Finderlohn von 30 USD ausgesetzt ist. Bisher gibt es keine Spur und niemand hat Leslie gesehen, was ich verstehen kann, ich überlege wann ich die Nachbarshunde zu letzt gesehen habe und weiß es nicht. Leslie, Blacky und Lisa können nicht dauernd draußen sein, da das Tor meist geschlossen ist. Abends gehe ich oft mit allen Dreien zum Markt, ohne Leine, sie laufen gut mit. Ein Schauspiel was im Dorf immer sehr aufmerksam verfolgt wird. Niemand geht hier mit seinen Hunden spazieren und kein Hund läuft bei Fuß. Die Drei verstehen unter bei Fuß laufen auch etwas freieres, sie halten sich im Umkreis von drei bis fünf Metern um mich auf. Wenn wir eine Straße überqueren, dann laufen sie beinahe bei Fuß.
Meine wunderbaren schwarzen Hunde.
Schon als Leslie in unsere Familie kam sagten viele, dass schwarze Hunde besonders gut schmecken. Auch ihre Kinder waren schwarz, bis auf wenige Ausnahmen. Vier Mal hat sie in den Jahren Junge gehabt. Viele ihrer Jungen kann ich auch heute noch besuchen, sie sind von Freunden und Kollegen adoptiert worden.
Eine mausgraue Hündin wurde von einem Taxi überfahren. Ein schwarzer Rüde hatte aufgehört zu fressen, als ich davon erfuhr war er schon mehr Tod als lebendig, der Tierarzt konnte ihm nicht mehr helfen. Ich hatte ihm Khai Kam geschenkt, meinem Freund und Laotisch-Lehrer. Ich habe nicht verstanden weshalb er mich nicht früher benachrichtigt hat. Ein schwarzer Rüde lebt hier im Dorf und ist sehr groß geworden, mit seinem langen Fell und dem großen Kopf wirkt er sehr bedrohlich. Er gehört unserem Vermieter. Jetzt wird er langsam alt und grau und kaum jemand hat noch Angst vor ihm. Bisher hat niemand ausgesprochen, woran wir alle denken und wovor ich mich fürchte.
Lany erzählt am Nachmittag dass sie beim Duschen von Leslie immer schon gedacht hat wie kräftig Leslie ist. Bestimmt lebt Leslie nicht mehr!
Ich verbiete ihr weiter zu sprechen – so unsensibel kenne ich Lany gar nicht.
Auch wenn ich weiß die Bindung an einen Hund ist in Laos anders, hier wird der Hund nicht zum Freund des Menschen, er ist der Wächter von Haus, Hof und Federvieh, darin ist er entweder gut oder nicht. In beiden Fällen bekommt er zu fressen – das ist schon die ganze laotische Hundegeschichte.

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